Zoomobjektiv oder Festbrennweite?

Als ich 1981 mit einer Ausbildung zum Foto-Einzelhandelskaufmann begann, waren Zoom-Objektive noch nicht so verbreitet wie heute. Die Festbrennweiten dominierten den Objektivmarkt. Diese waren optisch meist sichtbar besser. Sie waren lichtstärker und in den meisten Fällen auch noch kompakter in der Bauweise. Zoomobjektive waren zudem relativ teuer.

Der Erfolg der Zoomobjektive war dennoch nicht aufzuhalten. Waren in den 80er Jahren noch 35-70mm und 70-200mm Zoomobjektive die Highlights, gibt es heute Superzooms von 18-300mm und 150 – 600mm. Für anspruchsvolle Fotografen gibt es hochwertige und lichtstarke Zooms von Nikon, Canon, Sigma, Tamron und anderen Herstellern.

Ich selbst habe einige Jahre das Nikon AF-D 2,8/24-70 mm als Allround-Objektiv sehr häufig eingesetzt. Bei Bergwanderungen. Für Portraits. Und für Landschaftsfotografien sowieso. Ein tolles Zoom-Objektiv. Ein tolles Standard-Objektiv. Durch die Lichtstärke und die ED-Gläser allerdings recht teuer und auch relativ schwer. Dafür optisch hervorragend. Inzwischen gibt es das Nachfolge-Objektiv mit Bildstabilisator. Das ist noch teuerer.

Seitdem hat sich bei mir die Objektivauswahl vollständig verändert. Das Zoom benutze ich inzwischen nur noch in ganz seltenen Fällen. Nur noch da wo es auf den Bildausschnitt ankommt. Bei Aufnahmen wo ich den Standpunkt nicht ändern kann aber den Bildausschnitt anpassen muß. Die meisten Fotos entstehen bei mir inzwischen mit Festbrennweiten!

Warum mit Festbrennweiten fotografieren?

  • Weil sie handlicher und leichter sind. Vergleich: Nikon AF-S 2,8/70-200 mm = 1540 g / Nikon AF-D 2,8/180 mm 760g!
  • Weil die optische Qualität in den meisten Fällen besser ist.
  • Weil Festbrennweiten meist eine bessere Lichtstärke haben
  • Weil Festbrennweiten meist günstiger als Zoomobjektive sind. Wobei wenn man alle Brennweiten mit einem Zoom vergleicht, kann das auch umgekehrt ausfallen.
  • Weil man bei Zooms sowieso meist nur den obersten und untersten Bereich nutzt.

Ist das alles? Das sind lediglich technische Daten. Manche Argumente sind sogar subjektiv und werden von Mensch zu Mensch unterschiedlich bewertet. Die Begeisterung kommt bei den meisten Fotografen erst beim fotografieren mit Festbrennweiten. Erst in der Praxis stellt man fest, was einem durch lichtschwächere Zooms an Gestaltungsmöglichkeiten entgeht!

Bei Wanderungen habe ich inzwischen meist eine Festbrennweite auf der Kamera. So spare ich bis zu einem halben Kilo Gewicht! Beim Bergwandern ist das oft der Unterschied zwischen Spaß und Frust.

Lichtschwächere Zooms gibt es bei mir nicht mehr. Ich möchte meine Kreativität nicht durch lichtschwache Objektive einschränken. Ich liebe es ein Motiv mit offener Blende freistellen zu können. Auch das Bokeh setze ich gerne als Gestaltungsmittel ein. Mit offener Blende sieht man viele alltägliche Motive ganz neu. Es entstehen endlos viele neue Gestaltungsmöglichkeiten.

Der fotografische Blick wird viel besser geschärft. Man muß viel bewusster fotografieren, da man einen festen Bildausschnitt hat und bei offener Blende sehr exakt arbeiten muß. Es ist viel schwerer bei offener Blende, die Schärfe auf den Punkt zu bringen. Aber wenn es gelingt entstehen meist sehr eindrucksvolle Bilder.

Ehrlich gesagt war ich voll auf einem Zoom-Trip! Aus reiner Bequemlichkeit! Erst eine Zweitkamera für unterwegs hat mich auf den Festbrennweiten-Weg zurück gebracht. Für unterwegs suchte ich eine handliche Kamera mit RAW-Dateien und Wechselobjektiven. Durch Zufall konnte ich eine Fuji XM-1 mit Plastikzoom bei einem Händler sehr günstig erwerben. Mit dem lichtschwachen Zoom kam ich allerdings häufig an fotografische Grenzen. Da Fuji hervorragende Festbrennweiten macht, habe ich mir ein 1,4/23 mm gegönnt. Nicht ganz billig. Aber ein sehr gutes Objektiv. Ich war sofort infiziert. Infiziert vom Festbrennweiten-Virus!

Es folgte ein 2,8/14 mm und die Begeisterung erhöhte sich noch mehr. Auch ein großartiges Objektiv. Bokeh mit einem 14 mm Objektiv! Genial 😉 Auf Grund dieser Erfahrung begann ich auch für meine Nikon weitere Festbrennweiten zu kaufen. Ein 2,8/45 mm PC-E Tilt/Shift für Studioaufnahmen. Knackescharf und die Schärfeebene lässt sich im Fotostudio auf den Punkt bringen. Ein 1,8/20 mm für die Landschaftsfotografie. Und ein 2,8/60 mm Micro-Nikkor und AF-D 2,8/180 mm nutze ich schon seit über 20 Jahren mit Begeisterung.

Inzwischen stellen einige Objektivhersteller sehr lichtstarke Festbrennweiten her. Nikon, Canon, Fuji und Sigma haben in diesem Bereich inzwischen eine recht gute Auswahl. In jedem Jahr kommen neue lichtstarke Festbrennweiten auf den Markt, welche die Lücken bei den einzelnen Herstellern reduzieren. Diese neuen Objektive sind auch meist für recht hohe Auflösungen ausgelegt.

Braucht man lichtstarke Festbrennweiten in der Landschaftsfotografie?

Kommt darauf an!  Die Lichtstärke braucht man für viele Landschaftsaufnahmen selten. Einzige Ausnahme sind Aufnahmen vom Sternenhimmel und der Milchstraße bei Nacht. Will man die Sterne ohne Bewegungsungunschärfe am Nachthimmel aufnehmen braucht man ein Weitwinkel oder Fisheye-Objektiv mit Lichtstärke 1,8 oder noch besser 1,4.

Auch für abgeblendete Aufnahmen eignen sich solche Objektive hervorragend. Die jüngeren Konstruktionen haben meist eine sehr gute Entspiegelung, welche Lichtreflexe (Flares) bei Gegenlichtaufnahmen vermindern oder sogar verhindern. In dem Bereich hat sich in den letzten Jahren bei vielen Objektiven sehr viel getan bzw. verbessert.

Mit Nikon AF-S 1,8/20 mm bei Blende 11 aufgenommen
Mit Nikon AF-S 1,8/20 mm bei Blende 11 aufgenommen

Will man Details in einer Landschaft fotografieren, kann man mit lichtstarken Objektiven ein Motiv viel leichter vom Hintergrund freistellen. Zumindest auf mich wirken solche Bilder oft schöner, da der Hintergrund weniger störend empfunden wird. Wenn dazu noch ein schönes Bokeh entsteht, wirken manche Motive traumhaft schön. Ein weiterer Vorteil bei Festbrennweiten ist eine kürzere Entfernungseinstellung als bei einem Zoom. Wenn man dies nutzt, kann man sogar mit Weitwinkelobjektiven ein Bokeh im Hintergrund darstellen.

Pilze im Wald - Fuji XF 2,8/14 mm
Pilze im Wald – Fuji XF 2,8/14 mm
Herbstlaub Fächerahorn - Fuji XF 1,4/23 mm
Herbstlaub Fächerahorn – Fuji XF 1,4/23 mm

Die optische Qualität ist bei den meisten Festbrennweiten sichtbar besser als bei den meisten Zoomobjektiven. Obwohl es inzwischen einige sehr gute Zoomobjektive gibt, wo der Unterschied kaum noch erkennbar ist. Das Nikon 2,8/14-24 mm gilt als Referenz-Objektiv im Weitwinkelbereich. Wobei der Vergleich stark hinkt. Hier werden Festbrennweiten verglichen die zum Teil noch für die analoge Fotografie berechnet wurden. Damals war noch kein so hohes Auflösungsvermögen erforderlich. Inzwischen gibt es auch von Nikon einzelne Festbrennweiten im Weitwinkelbereich mit noch besserer Lichtstärke und ebenfalls hervorragender optischer Qualität für Digitalkameras. Für jeden Hersteller ist es wesentlich einfacher eine Brennweite optimal zu konstruieren. Bei den meisten Zoomobjektiven gibt es lediglich einen kleinen Brennweitenbereich der gut bis sehr gut ist. Die anderen Brennweiten fallen in der Qualität oft sichtbar ab.

Nachteile von Festbrennweiten?

Wenn man die Brennweiten eines Zoom-Objektives ersetzen möchte, braucht man sehr viele Einzelobjektive. Das ist wesentlich teurer. Das erfordert in manchen Situationen einen Objektivwechsel. Berufsfotografen vermeiden den Objektivwechsel durch eine 2. oder sogar 3. Kamera! In den meisten Fällen hat man bei den Festbrennweiten auch eine höhere Lichstärke und kann näher an ein Motiv heran. Auf Spaziergängen nehme ich meist nur 1 Objektiv mit. Das schult den Blick und man erblickt plötzlich Motive, an denen man sonst  achtlos vorbei gegangen wäre.

Gelbes Laub - mit Fuji XF 1,4/23 mm
Gelbes Laub – mit Fuji XF 1,4/23 mm

Lichtstarke Festbrennweiten sind sehr teuer. Im Verhältnis zu mehreren Objektiven in einem Zoom ist das richtig. Allerdings bekommt man bei Festbrennweiten mehr Lichtstärke. Je mehr Lichtstärke, desto teurer wird ein Objektiv. Manche Aufnahmen, wie Sternenhimmel ohne Verwischung bei Nacht, sind nur damit realisierbar. 2,8er Lichtstärke von Zooms reicht da derzeit nicht aus. Vielleicht in ein paar Jahren, wenn es Kameras mit sehr hoher ISO ohne Bildrauschen geben würde? Derzeit gibt es die nicht und solche Milchstraßenaufnahmen sind nur mit 1,4 – 1,8 Lichtstärke realisierbar.

Festbrennweiten sind teurer, da man mehrere Objektive benötigt. Beispiel: Ein Nikon AF-S 2,8/14 – 24 mm kostet aktuell (8/2016) ca. 2000 €. Ein Nikon 2,8/14 mm ED kostet ca. 1600 €. Ein Nikon 1,8/20 mm kostet ca. 700 €. Und ein 1,4/24mm ca. 2000 €. Gesamtpreis Festbrennweiten ca. 4300 € gegenüber Zoomobjektiv 2000 €. Alle Objektive für Vollformatkameras. Auf dem ersten Blick stimmt diese Rechnung. Bei näherer Betrachtung sieht es aber anders aus. Zum einen hat man zum Teil eine wesentlich höhere Lichtstärke. Das 14 mm würde ich komplett ausschließen, da es optisch schlechter als das Zoom ist. Zumindest bei digitalen Vollformat-Kameras. Dann bleiben nur noch das 20 und 24 mm. Ob man beide wirklich braucht muß jeder selbst entscheiden. Ich habe mich wegem dem guten Preis- Leistungsverhältnis für das 20 mm entschieden. Die anderen Brennweiten vermisse ich bisher nicht. Das 1,4/24 ist mir ehrlich gesagt zu teuer. Aber 1,4er Lichtstärke in guter optischer Qualität zu konstruieren ist sehr aufwändig.

Warum habe ich mich für ein 20mm statt einem 14-24mm Zoom entschieden?
Meist nutze ich sowieso nur den untersten und obersten Brennweitenbereich bei einem Zoom. 20mm war schon zu analogen Zeiten eine meiner Lieblingsbrennweiten. Mit der Festbrennweite kann ich auch mal näher an ein Motiv als mit dem Zoom. Es ist mit 1,8 gegenüber 2,8 um einiges lichtstärker. Und beim Wandern ist es viel handlicher und leichter als das klobige Zoom. Für meine Anwendungen erfüllt es mehr Anforderungen als das Zoom.

Zoomobjektiv oder Festbrennweite? – Zusammenfassung

Zoomobjektive wenn man bequem Fotos machen will. Zoomobjektive sind erforderlich wenn man den Standpunkt nicht verändern kann aber den Bildausschnitt verändern möchte. Zoomobjektive sind da hilfreich wo Staub und Schmutz auftreten und deswegen ein Objektivwechsel nicht erwünscht wird. Eine Alternativ dazu sind 2 oder 3 Kameras mit verschiedenen Festbrenweiten 😉

Wer sich ernsthafter mit der Fotografie auseinandersetzen will, wird zwangsläufig irgendwann zu Festbrennweiten greifen. Auch in der Landschaftsfotografie. Ein kürzerer Aufnahmeabstand eröffnet weitere interessante Gestaltungsmöglichkeiten und Sichtweisen.

Alte Rebe - Fuji XF 1,4/23 mm
Alte Rebe – Fuji XF 1,4/23 mm

Eine höhere Lichtstärke erweitert die gestalterischen Möglichkeiten durch Freistellen und mögliches Bokeh im Hintergrund. Die meisten Festbrennweiten sind leichter und kompakter als ein Zoomobjektiv. Ausnahmen sind hier wenige Festbrennweiten mit extrem hoher Lichstärke.

Die optische Qualität ist bei den meisten Festbrennweiten besser als bei Zoomobjektiven. Wobei diese pauschale Aussagen inzwischen nicht immer zutrifft. Die Top-Zoom-Objektive bei Nikon und Canon erreichen zum Teil eine vergleichbare optische Qualität wie manche Festbrennweiten. Und ältere Objektiv welche noch für die analoge Fotografie berechnet worden sind, haben meist auch nicht die optische Qualtiät als jüngere optische Berechnungen. Zum einen liegt das an den Sensoren, wo das Licht anders auftreten muß um die optische Qualität optimal wiederzugeben. Zum anderen gibt es inzwischen sehr hochauflösende Sensoren, wo nur die besten Objektive annähernd die Aufösung realisieren können. Bei Kameras über 24 Mio Pixel wird es schwer gute Objektive zu finden!

Am Ende muß jeder für sich selbst entscheiden ob Zoom oder Festbrennweite. Wer gerne weitere Gestaltungsmöglichkeiten haben möchte, wird an Festbrennweiten seine Freude haben.

Welches Objektiv dafür das beste ist?

Das hängt heute von so vielen Faktoren ab, sodaß man da keine pauschale Antwort geben kann.
Je mehr Pixel eine Kamera hat, desto besser muß das Objektiv sein.
Je mehr Lichtstärke ein Objektiv, desto mehr Gestaltungsmöglichkeiten bietet es.
Ob ein Zoom oder eine Festbrennweite die kreativen Möglichkeiten erweitert oder einschränkt ist persönliche Ansichtsache. Wobei es keinen Ersatz für eine bessere Freistellmöglichkeit bei lichtstarken Festbrennweiten bei den Zoomobjektiven gibt.

Ich jedenfalls bin wieder ein Fan von Festbrennweiten.

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